Der Gottesknecht als anthropologische Figur in der Bildungswissenschaft

Autor/innen

  • Oskar Dangl

Schlagworte:

Servant of God, theory of education, philosophy of Renaissance

Abstract

Die Bezeichnung „Gottesknecht“ begegnet überraschenderweise auch in der Bildungswissenschaft, und zwar als anthropologische Metapher für das mittelalterliche Menschenbild. Mit diesem Begriff verbindet sich nicht nur ein negatives Menschenbild, sondern auch ein ebensolches Gottesbild: Der Mensch unterwirft sich Gott als seinem Herrn. Damit verliert der Mensch auch seine Würde, insofern er auf eigenständigen Vernunftgebrauch verzichtet (sacrificium intellectus). Erst die Aufklärung habe darauf mit einer konsequenten Detheologisierung reagiert. Nur so könne der Mensch seine Würde verteidigen, gestützt auf die eigene Vernunft. – Wie kann die alttestamentliche Bibelwissenschaft darauf reagieren? Ist Detheologisierung notwendig zur Verteidigung der Menschenwürde? Oder gibt es auch eine theologisch begründete Menschenwürde? Klassische biblische Zeugnisse (Gen 1,26; Ps 8) bieten ein nahezu postmodern anmutendes theologisches Konzept der Menschenwürde. Sie besteht darin, dass Gott den Menschen zu seinem Stellvertreter auf Erden einsetzt. Die deuteronomische Rechtsordnung kann so verstanden werden: Das Gottesrecht sichert in Gestalt der Menschenrechte die Würde aller Menschen. Die Anerkennung der Menschenrechte zeichnet eine „gebildete Gesellschaft“ aus. Laut Weisheitstradition (Spr; Sir) setzt die Anwendung der Tora übrigens die menschliche Vernunft voraus. Von der Notwendigkeit einer Detheologisierung zur Wahrung der Menschenwürde kann also keine Rede sein, im Gegenteil: Das Gottesrecht (Tora) sichert die allgemeine Menschenwürde. Die Würde des biblischen Gottesknechts (DtJes) besteht schließlich in seinem Auftrag, die Tora zu universalisieren.

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Veröffentlicht

2021-06-16